Eine außergewöhnliche Lehrerfortbildung in der Stratosphäre

28. Februar 2019 /

Abenteuer pur – „Spontanitätstest“ bestanden. Olaf Graf, Joachim Groß, Margarita Riedel und Andrea Sittig-Kramer können dank verlängertem Aufenthalt an zwei Forschungsflügen an Bord von SOFIA teilnehmen.

Olaf Graf (Schulsternwarte "Sigmund Jähn" Rodewisch, SN), Joachim Groß (Graf-Eberhard-Gymnasium, Bad Urach, BW), Margarita Riedel (Keplergesellschaft Weil der Stadt, BW) und Andrea Sittig-Kramer (Drawehn-Schule, Clenze, NI) sind bereits am 17. Februar nach Kalifornien gereist und sollten am Mittwoch, 20. Februar ihren ersten Mitflug an Bord der fliegender Sternwarte SOFIA (Stratosphären Observatorium Für Infrarot Astronomie) haben. Doch erstens kam es anders und zweitens als gedacht.
Bereits vor der Abreise blieb es spannend, ob diese spezielle Lehrerfortbildung überhaupt wie geplant stattfinden konnte: Ein weiterer Shutdown der US-amerikanischen Regierung hätte den Betrieb der fliegenden Sternwarte, die gemeinsam von der US-Behörde NASA und dem Deutschen Zentrum für Luft-und Raumfahrt (DLR) betrieben wird, erneut stillgelegt. Doch zum Glück gab es zwei Tage vor Reiseantritt Entwarnung und die vier Lehrkräfte erreichten planmäßig ihr Reiseziel. Bereits am Dienstag (19. 2.) konnten sie sich einen ersten eigenen Eindruck von SOFIA machen, die schon draußen auf dem Vorfeld für den nächtlichen Flug vorbereitet wurde. Beim Betreten der Maschine fällt sofort auf, dass SOFIA besonders ist: Dort wo sonst Stuhlreihen dicht hintereinander angeordnet sind, befinden sich vier Computerterminals und zwei Konferenztische und ganz hinten das Herzstück von SOFIA – das Teleskop.

Alexander Steiner vom DSI (Mitte, hinten) erklärt den deutschen Lehrkräften das SOFIA-Teleskop (Copyright: DSI).

Um die Lehrkräfte optimal auf ihren SOFIA Mitflug vorzubereiten, hat Alexander Steiner, Teleskop-Ingenieur vom Deutschen SOFIA Institut (DSI), ihnen eine umfassende Einführung zur Funktionsweise des Teleskops gegeben. „Unser Team hier vor Ort beschäftigt sich mit Verbesserungen – das ist der Vorteil von einem Teleskop an Bord eines Flugzeugs: Wir landen jeden Morgen und können tagsüber dran arbeiten“, zieht er den Vergleich zu satellitengebundenen Teleskopen.
Margarita Riedel aus Weil der Stadt, der Geburtsstadt Johannes Kepler, sagt dazu: „Was wohl mein Held Johannes Kepler dazu sagen würde?“ und zitiert den berühmten deutschen Astronom und Naturphilosophen aus dem Jahr 1610: „...man schaffe Schiffe und Segel, die sich für die Himmelsluft eignen. Dann wird es auch Menschen geben, die vor der öden Weite des Raumes nicht zurückschrecken werden."  

Schneesturm in Palmdale (Copyright: DSI).

Als am Nachmittag des 20. Februars Mission Director Jeff Cox die vier Lehrkräfte zum Mission Briefing für den Flug 548 von SOFIA begrüßte, war die Vorfreude auf ihren ersten Flug in den „ Stratosphärenraum“ groß. Doch dann kam es eben ganz anders: Schneesturm in Palmdale. Laut Wettervorhersage waren für den Flug über dem Pazifik starke Turbulenzen vorhergesagt und es gab ein hohes Risiko, dass die Landebahn in den frühen Morgenstunden bei SOFIAs Rückkehr vereist sein würde. Aus Sicherheitsgründen musste Pilot Jeff Borton daher den geplanten Flug absagen! Natürlich war die Enttäuschung bei den vier Gästen aus Deutschland groß. Als sie dann aber abends im Hotel waren, gab es einen starken Schneesturm. Eine absolute Seltenheit in Palmdale, wo im Februar die Durchschnittstemperatur normalerweise bei 15 °C liegt. Alle waren froh sich nicht in 13 Kilometern Höhe an Bord eines sturmgebeutelten Flugzeugs zu befinden.

Gruppenfoto mit Pilotin Liz Ruth (2. von links; Copyright: DSI).

Knapp 20 Stunden später - same prodecure as yesterday:  Wieder Mission Briefing. Das Tiefdruckgebiet hatte sich verzogen, endlich sollte es losgehen. Flugzeug, Teleskop und das Messinstrument HAWC+ (High-resolution Airborne Wideband Camera-plus) waren einsatzbereit. Pünktlich eine Stunde vor dem geplanten Abflug waren alle Missionsteilnehmer an Bord von SOFIA. Pilotin Liz Ruth beobachtete besorgt die Oberseite der Tragflächen. Es bestand das Risiko, dass das Wasser darauf gefriert, da die Temperatur nur knapp über dem Gefrierpunkt lag. Außerdem arbeiteten Techniker an einem Kühlsystem für den hinteren Teil der Flugzeugkabine, das auch für die Kühlung des Teleskops verantwortlich ist. Die Piloten und der Mission Director planten bereits für einen verspäteten Start, in der Hoffnung, dass die Techniker das Problem schnell lösen können. Doch wieder sollte es nicht sein: Auch dieser letzte für diese Woche geplante SOFIA Flug musste leider aus Sicherheitsgründen ausfallen.

Jetzt bekamen die Buchstaben von SOFIA eine ganz neue Bedeutung - Spontaneous Open-minded Flexible Innovative Astronomy: Andrea Sittig-Kramer, Margarita Riedel, Joachim Groß und Olaf Graf bekamen spontan von Ihren Schulleitungen und Arbeitgebern aus Deutschland grünes Licht und konnten ihren Aufenthalt verlängern.  Über das Wochenende wurde das Instrument HAWC+ wie geplant abgebaut, das deutsche Instrument FIFI-LS (The Far Infrared Field- Imaging Line Spectrometer) montiert und die Lüftung des Teleskops eingehend untersucht und repariert.

Im Gespräch mit DSI-Ingenieur Sebastian Colditz (2. von rechts). Im Vordergrund der zweite Mission Director (Copyright: DSI).

Aufnahme der SOFIA Leitkamera FPI+ von der Galaxie M 66 (Copyright: DSI).

Nach dem Motto „aller guten Dinge sind drei“ ging es am 26. Februar wieder zum Mission Briefing. Und dieses Mal, um 17:57 Uhr Ortszeit hob SOFIA tatsächlich mit den vier Gästen aus Deutschland ab. An der eigens für Lehrkräfte installierten Computerkonsole konnten sie nun endlich verfolgen, wie sich die Teleskopluke öffnete und SOFIA mit den wissenschaftlichen Beobachtungen beginnen konnte. Als erstes Objekt stand die Balkengalaxie M 66 (NGC 3627) auf dem Plan. Zusammen mit den beiden Galaxien M 65 und NGC 3628 bildet sie das sogenannte „Leo-Triplett“. „Wir wollen erstmalig eine hochauflösende Karte der Feinstrukturlinie [CII] 157µm der gesamten Galaxie erstellen und damit die Sternentstehungsrate in den verschiedenen Bereichen einer Balkenspirale untersuchen“, so DSI Ingenieur Sebastian Colditz, der heute Nacht mit an Bord ist. Nach den Abenteuern der letzten Tage eine glückliche Fügung, findet Andrea Sittig-Kramer – hatte die Astrofotografin diese Galaxie und ihre beiden Begleiter doch im Februar 2016 bereits selbst in Uelzen fotografiert. „Es gibt so viel Aufregendes zu entdecken und erforschen. Meinen Schülerinnen und Schülern möchte ich das nach der Reise alles zeigen können“, meint die Lehrerin aus Niedersachsen, während sie die optischen Aufnahmen der SOFIA –Leitkamera, des  FPI+ (Focal Plane Imager) an der Computer-Konsole betrachtet.

Die vier Lehrkräfte an der Lehrerkonsole: Andrea Sittig-Kramer, Jochim Groß, Margarita Riedel und Olaf Graf (vlnr) (Copyright: DSI).

Olaf Graf, der nach der Reise ein SOFIA-Projekt für Grundschüler an der Sternwarte in Rodewisch durchführen will, ergänzt: „Interesse für Naturwissenschaften schaffen, das ist unsere Aufgabe als Lehrer - auch 50 Jahre nachdem der erste Mensch auf dem Mond war, sind dazu noch viele kleine Schritte notwendig ... ... und einer davon ist SOFIA."

DSI-Teleskop-Ingenieurin Nadine Fischer hatte in dieser Nacht auf einem  achtminütigen Leg (Flugabschnitt) Tests mit einem Software-Prototyp zur Verbesserung der Teleskopsteuerung vorgesehen. Hochkonzentriert arbeitete sie an den Tests, danach erklärte sie den Lehrkräften: „ Jetzt sind wir sehr gespannt auf die Daten aus dem Test. Die erhalten wir allerdings erst nach dem Flug und sind dann die nächsten Wochen noch mit dem Auswerten beschäftigt.“ Joachim Groß bewundert die Zusammenarbeit des Teams an Bord: „Mich fasziniert an SOFIA besonders die Kombination aus Ingenieurwissenschaften, Physik, Informatik und Astronomie, die man braucht, um ein solches fliegendes Observatorium zu betreiben.“ So können die Lehrkräfte über ihre Headsets den Gesprächen und Diskussionen zwischen den Ingenieuren, Wissenschaftlern, Piloten, Flugplaner und Mission Director verfolgen.
Es ist unglaublich, wie schnell 10 Flugstunden vergehen können, wenn man so viel Neues und Interessantes erlebt. Müde aber zufrieden verließen die vier Lehrkräfte gemeinsam mit dem Missions-Team am Morgen des 27.02.2019 um halb 5 Uhr SOFIA - Spontanitätstest bestanden! Im Hangar war schon reges Treiben – am Abend soll SOFIA wieder vollgetankt und startbereit sein. Auf die Lehrkräfte wartet eine weitere spannende Nacht!


Sie sind LehrerIn an einer deutschen Schule - bewerben Sie sich für Ihren eigenen Mitflug!!!


Informationen zu den Lehrern:

Weitere Links:

Weitere SOFIA Links

Kontakt
Dörte Mehlert, Email: mehlert@dsi.uni.stuttgart.de; Tel.:0711 - 685-69632

SOFIA, das Stratosphären Observatorium Für Infrarot Astronomie, ist ein Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR; Förderkennzeichen 50OK0901, 50OK1301 und 50OK1701) und der National Aeronautics and Space Administration (NASA). Es wird auf Veranlassung des DLR mit Mitteln des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg und der Universität Stuttgart durchgeführt. Der wissenschaftliche Betrieb wird auf deutscher Seite vom Deutschen SOFIA Institut (DSI) der Universität Stuttgart koordiniert, auf amerikanischer Seite von der Universities Space Research Association (USRA). Die Entwicklung der deutschen Instrumente ist finanziert mit Mitteln der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des DLR.

Zum Seitenanfang