[CII] 158 µm – Karte von NGC6946

SOFIA liefert erste komplette [CII]-Durchmusterung der Feuerwerksgalaxie

1. Juli 2021 /

Kalibrierung für junge, weit entfernte Galaxien möglich
[Bild: Bigiel et al. ApJ 903, 2020; D. Paris, V. Testa, LBC Team, and D. Thompson, LBTO]

Mit dem Stuttgarter Ferninfrarotspektrometer FIFI-LS (Far Infrared Field Imaging Line Spectrometer) an Bord der fliegenden Sternwarte SOFIA, hat ein Team um Frank Bigiel vom Argelander-Institut für Astronomie (AIfA) der Universität Bonn eine komplette Durchmusterung der Spiralgalaxie NGC 6946 im ferninfraroten Licht des ionisierten Kohlenstoffs durchgeführt. Diese Daten helfen, die Sternentstehungsrate nicht nur in nahgelegenen, sondern auch weit entfernten Galaxien des frühen Universums abzuschätzen.

Feuerwerksgalaxie – ideales Labor in galaktischer Nachbarschaft
Die Galaxie NGC 6946 ist etwa zwölf Millionen Lichtjahre von uns entfernt und damit noch in unserer kosmischen Nachbarschaft angesiedelt. Ihren Spitznamen „Feuerwerksgalaxie“ verdankt sie der Tatsache, dass in ihr in den letzten 100 Jahren zehn Supernova-Explosionen stattgefunden haben. Zum Vergleich: In unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, fand die letzte Supernova im Jahr 1604 statt. NGC 6946 ist eine der gasreichsten Spiralgalaxien in unserer Umgebung und produziert wesentlich mehr neue Sterne als für ihre Größe typisch wäre.

[CII] 158 µm – Karte von NGC6046 über einem LBT optischen Mehrfarbenbild[CII] 158 µm – Karte (schwarze Konturen) der Feuerwerksgalaxie überlagert auf optischem Mehrfarbenbild des LBT (Large Binocular Telescope). Copyright: [CII]-Karte: Bigiel et al. ApJ 903, 2020; LBT Bild: D. Paris, V. Testa, LBC Team, and D. Thompson, LBTO).

[CII] 158 µm Linie  –  Messinstrument für Sternentstehungsrate
Die Emission der [CII] 158 µm-Spektrallinie des einfach ionisierten Kohlenstoffs hat eine Wellenlänge von 158 µm und liegt somit im ferninfraroten Teil des elektromagnetischen Spektrums. Sie entsteht im interstellaren Medium, wenn junge, neu entstandene Sterne das Gas in ihrer Umgebung aufheizen und der ionisierte Kohlenstoff diese Wärmenergie dann wieder abstrahlt. Mit der Stärke der [CII] 158 µm-Linie können Astronominnen und Astronomen also die freigesetzte Energie und somit die Anzahl junger, heißer Sterne ermitteln – sie ist ein ideales Messinstrument für die Sternentstehungsrate in einer Galaxie. Dieser Prozess ist außerdem wichtig, um das interstellare Gas zu kühlen und somit die Entstehung weiterer Sterne zu ermöglichen. Die Feuerwerksgalaxie wandelt jährlich rund sechs Sonnenmassen in Sterne um - die Milchstraße gerade mal eine Sonnenmasse - und ist somit ein ideales Labor, um den Zusammenhang zwischen der Sternentstehungsrate und der [CII] 158 µm-Linie im Detail zu untersuchen.

Kalibrierung für entfernte Galaxien
 „Mit unserer Studie können wir aufschlüsseln, welchen Anteil unterschiedliche Bereiche der Galaxie zur Emission der [CII] 158 µm-Linie beitragen“, erklärt Frank Bigiel, Erstautor der Untersuchung. 73% der Strahlung hat ihren Ursprung in den Spiralarmen, in welchen sich auch die meisten Sterne bilden, 19% im Zentrum der Galaxie und lediglich 8% in den Bereichen zwischen den Armen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können so nachvollziehen, welchen Einfluss unterschiedliche Umgebungsbedingungen wie Temperatur und Dichte auf die Sternentstehungsrate einer Galaxie und somit der Stärke dieser Linie haben. „Ein genaues Verständnis dieser Zusammenhänge in solch einer nahen Spiralgalaxie ist wichtig, um die [CII] 158 µm-Linie als „Messinstrument“ zu kalibrieren und auch für die Bestimmung der Sternentstehungsrate in sehr weit entfernten Galaxien des frühen Universums einsetzen zu können“, fährt Frank Bigiel fort. Die [CII] 158 µm-Linie ist sehr hell, so dass bis zu 1% der gesamten im Infraroten abgestrahlten Energie einer Galaxie alleine von dieser Linie kommen kann. Damit lässt sie sich auch in sehr weit entfernten Galaxien gut beobachten - und zwar wegen der Rotverschiebung der Wellenlängen mit Hilfe von Radioteleskopen. Die zentrale Frage, wie sich die Sternentstehungsaktivität in Galaxien im Laufe der Milliarden Jahre seit Entstehung des Universums entwickelt hat und dabei Sterne wie z.B. unsere Sonne hervorgebracht hat, kann so – zumindest zum Teil - beantwortet werden.

CII] 158 µm – Karte der FeuerwerksgalaxieCII] 158 µm – Karte der Feuerwerksgalaxie. Copyright: [CII]-Karte: Bigiel et al. ApJ 903, 2020

Verlässliches Messinstrument
Sterne „verbrennen“ Wasserstoff und Helium durch Kernfusion zu höherwertigen Elementen – ihre sogenannte Metallizität erhöht sich. Bei ihrem Ableben explodieren sie und schleudern dieses angereicherte Material in das interstellare Medium zurück, aus dem weitere Sterne entstehen können. Die Studie des Teams um Frank Bigiel bestätigt, dass die [CII] 158 µm-Linie hervorragend als Messinstrument für die Sternentstehungsrate in Bereichen unterschiedlicher Metallizität funktioniert: Nur unter den extremen Bedingungen im Zentrum der Galaxie, das von immens turbulenten Gasströmungen geprägt ist, liegt noch viel Arbeit vor den Forschern das abweichende Verhalten der [CII] Linie zu verstehen.

DSI arbeitet an weitere Karten
„FIFI-LS ist das einzige Instrument und SOFIA das einzige Observatorium, mit dem wir derzeit effizient so große Karten des ionisierten Kohlenstoffs produzieren können“, erläutert Alfred Krabbe, Leiter des Deutschen SOFIA Instituts (DSI) der Universität Stuttgart und Co-Autor der Studie. Daher arbeiten wir am DSI auch an vergleichbaren Karten anderer Spiralgalaxien in unserer Nähe, wie zum Beispiel der Galaxie M83 – die Feuerrad Galaxie am Südhimmel -, um die Kalibrierung der [CII] 158µm-Linie für weiter entfernte Galaxien zu optimieren.“

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SOFIA, das Stratosphären Observatorium Für Infrarot Astronomie, ist ein Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR; Förderkennzeichen 50OK0901, 50OK1301 und 50OK1701) und der National Aeronautics and Space Administration (NASA). Es wird auf Veranlassung des DLR mit Mitteln des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg und der Universität Stuttgart durchgeführt. Der wissenschaftliche Betrieb wird auf deutscher Seite vom Deutschen SOFIA Institut (DSI) der Universität Stuttgart koordiniert, auf amerikanischer Seite von der Universities Space Research Association (USRA). Die Entwicklung der deutschen Instrumente ist finanziert mit Mitteln der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des DLR.

Kontakt mehlert@dsi.uni.stuttgart.de
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