SOFIA hilft bei der Altersbestimmung von stellaren Kinderstuben

17. November 2014 /

SOFIA-Beobachtungen zeigen, dass das Sternentstehungsgebiet im Sternbild Ophiuchus, in dem zur Zeit sonnenähnliche Sterne entstehen, mindestens 1 Millionen Jahre alt ist. Diese Ergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe von Nature veröffentlicht.

Ein internationales Forscherteam unter Leitung von Wissenschaftlern des Sonderforschungsbereich 956 an der Universität zu Köln hat mit Hilfe von SOFIA Flugzeug-Beobachtungen erstmals eine neue Methode der Altersbestimmung von Sternentstehungsregionen angewendet und Erstaunliches herausgefunden: Das im 400 Lichtjahre entfernten Sternbild Ophiuchus untersuchte Sternentstehungsgebiet IRAS 16293-2422, in dem zur Zeit sonnenähnliche Sterne entstehen, ist mindestens 1 Millionen Jahre alt – ein Widerspruch zu gängigen Theorien, die eine viel schnellere Entstehung von Sternen vorhersagen. In der aktuellen Ausgabe von Nature wird dieses Ergebnis, zu dem auch Wissenschaftler von der Universität Helsinki sowie der beiden Max-Planck-Institute für Radioastronomie (Bonn) und für extraterrestrische Physik (Garching) beigetragen haben, nun veröffentlicht.


Sterne wie unsere Sonne und ihre Planetensysteme entwickeln sich aus kalten, dichten Gas- und Staubwolken, die unter ihrem eigenen Gewicht kollabieren. Dabei verdichtet sich das Material zunächst zu einem embryonalen Stern, einem sogenannten Protostern. Wie diese Entwicklung genau abläuft und auf welcher Zeitskala sich der Kollaps ereignet, ist nicht genau bekannt. Strömt das Gas aufgrund der Schwerkraft im freien Fall in Richtung Zentrum oder wird es durch andere Faktoren verlangsamt? „Da diese Entwicklung wesentlich mehr Zeit braucht als die gesamte Geschichte der Menschheit, können wir sie nicht über den gesamten Ablauf hin verfolgen“, erläutert Sandra Brünken, Erstautorin der Studie. „Stattdessen benötigen wir eine innere Uhr, um das Alter der jeweiligen Sternentstehungsregion bestimmen zu können.“

Und hier kommt SOFIA ins Spiel: Das in dichten kalten Sternentstehungsgebieten angereichert vorkommende Molekül H2D+ strahlt und absorbiert je nach Orientierung der beiden Kernspins der zwei Wasserstoffkerne entweder eine ganz charakteristische Linie im Ferninfraroten bei der Wellenlänge von 219 µm (1,37 THz, Para – Zustand, anti-parallele Spins) oder im Millimeterbereich bei 0,806mm (372 GHz, Ortho – Zustand, parallele Spins) ab. Da die Erdatmosphäre Ferninfrarotstrahlung komplett verschluckt, konnte das Team um Stephan Schlemmer von der Universität zu Köln das Signal bei 219 µm nur mit SOFIA in einer Flughöhe von etwa 14 Kilometern detektieren. Ein weiterer Vorteil ist, dass neueste Technologien an Bord von SOFIA – im Gegensatz zu Satelliten - kurzfristig zum Einsatz kommen können: bis vor kurzem gab es noch kein Instrument, das den für diese Beobachtungen wichtigen Wellenlängenbereich abgedeckt hätte. Die Millimeterdaten hat die Forschergruppe mit dem APEX-Teleskop (Atacama Pathfinder Experiment) beobachtet, das in 5100 m Höhe in den chilenischen Anden steht. In ihrer Nature – Veröffentlichung erklären die Autoren, warum das Verhältnis von Ortho- (APEX) zu Para- (SOFIA) H2D+ Häufigkeiten in dichten, kalten Dunkelwolken eine genaue Altersdatierung von Geburtsstätten sonnenähnlicher Sterne erlaubt. Und das Ablesen dieser chemischen Uhr ergibt für IRAS 16293-2422 eben ein überraschendes Alter von mindestens einer Million Jahren.

"Diese H2D+ Messungen leiten eine grundlegend neue Methode zur Altersbestimmung von kalten Molekülwolken ein und dabei spielt die SOFIA Ferninfrarot-Spektroskopie die entscheidende Rolle“, freut sich Hans Zinnecker vom DSI nicht nur in seiner Funktion als stellvertretender Direktor des wissenschaftlichen Zentrums von SOFIA, sondern auch als Wissenschaftler mit besonderem Interesse an Fragen der Sternentstehung. „Dies unterstreicht das Zukunftspotential von SOFIA, insbesondere da die fliegende Sternwarte derzeit das einzige Observatorium ist, mit dem Astronomen diese Wellenlänge beobachten können."

Originalarbeit:
H2D+ observations give an age of at least one million years for a cloud core forming Sun-like stars
Sandra Brünken, Olli Sipilä, Edward T. Chambers, Jorma Harju, Paola Caselli, Oskar Asvany, Cornelia E. Honingh, Tomasz Kamiński, Karl M. Menten, Jürgen Stutzki, Stephan Schlemmer

Weitere Informationen: 

Kontakt:

Prof. Stephan Schlemmer
I. Physikalisches Institut
Universität zu Köln
Telefon: +49 (0)221 470 7880
Email: schlemmer@ph1.uni-koeln.de
web: http://www.astro.uni-koeln.de/labastro

Merle Hettesheimer
Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Universität zu Köln
Telefon: +49 (0)221 4701700
Email: m.hettesheimer@uni-koeln.de

Dr. Dörte Mehlert
Deutsches SOFIA Institut
Universität Stuttgart
Telefon: +49 (0)711 – 685 69632
Email: mehlert@dsi.uni-stuttgart.de

Hintergrundinformationen:

GREAT, der "German Receiver for Astronomy at Terahertz Frequencies", ist ein Empfänger für spektroskopische Ferninfrarot-Beobachtungen in einem Frequenzbereich von 1,25 bis 5 Terahertz (60-240 µm Wellenlänge), der von bodengebundenen Observatorien aus wegen der mangelnden atmosphärischen Transparenz nicht mehr zugänglich ist. Dieser Empfänger kommt als Instrument der ersten Generation am Flugzeug-Observatorium SOFIA zum Einsatz. GREAT wird in einem Konsortium deutscher Forschungsinstitute (MPIfR Bonn und KOSMA/Universität zu Köln, in Zusammenarbeit mit dem MPI für Sonnensystemforschung und dem DLR-Institut für Planetenforschung) entwickelt und betrieben. Projektleiter für GREAT ist Dr. Rolf Güsten (MPIfR). Die Entwicklung des Instruments ist finanziert mit Mitteln der beteiligten Institute, der Max-Planck-Gesellschaft und der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

APEX, das Atacama Pathfinder Experiment, ist ein gemeinsames Projekt des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) mit dem Onsala Space Observatory (OSO) und der Europäischen Südsternwarte (ESO). Es dient dem Bau und Betrieb einer modifizierten Prototyp-Antenne von ALMA (Atacama Large Millimetre Array) als Einzelteleskop auf einem in 5100 Metern Höhe über dem Meeresspiegel gelegenen Standort in der Chajnantor-Ebene (Atacama-Wüste) in Chile. Das Teleskop wurde von der VERTEX-Antennentechnik in Duisburg gebaut. Der Betrieb des Teleskops erfolgt durch die ESO.

Kontakt Dörte Mehlert, Email: mehlert@dsi.uni.stuttgart.de; Tel.:0711 - 685-69632
Zum Seitenanfang