Wissenschaftler haben mit dem FIFI-LS Instrument der Universität Stuttgart an Bord von SOFIA ein ungewöhnliches Schwarzes Loch gefunden: Es verändert seine galaktische Umgebung in einer Weise wie sie von neugeborenen Sternen bekannt ist.
Aktive Galaxienkerne (Active Galactic Nuclei, AGN) werden durch die Akkretion von Materie auf Schwarze Löcher im Zentrum einer Galaxie angetrieben. Während diese massereichen Galaxienzentren Gas und Staub verschlingen, wird ein Teil des einfallenden Materials als hochenergetische Jets in der Regel senkrecht zur Akkretionsebene nach außen geschleudert und beeinflusst so vermutlich die Sternentstehung in ihren Wirtsgalaxien.
Sterne werden tief im Inneren von Staub- und Gaswolken gebildet, die diesen Prozess im sichtbaren Licht verborgen halten. Allerdings kann Infrarotlicht, das unsere Augen nicht sehen können, diese Wolken durchdringen. Infrarot-Teleskope wie SOFIA dagegen können durch diese Wolken hindurchsehen, so dass Astronomen und Astronominnen den Prozess der Sternentstehung erforschen können. Insbesondere suchen sie nach der Infrarotsignatur von ionisiertem Kohlenstoff, der während der Entstehung von Sternen produziert wird: je mehr Sterne entstehen desto mehr ionisierter Kohlenstoff wird produziert. Die Infrarotemission der ionisierten Kohlenstofflinie [CII]158 µm kann die Gas- und Staubwolken, in denen sich Sterne bilden, durchdringen. Daher nutzen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die Stärke dieser [CII]158 µm-Linie gerne, um die Menge neu entstandener Sterne – die Sternentstehungsrate - in der Milchstraße, in nahen oder sogar fernen Galaxien zu messen.
Die genauen Beziehungen zwischen AGNs und den jeweiligen massereichen Schwarzen Löchern zu ihren Wirtsgalaxien ist noch nicht vollständig verstanden. Insbesondere der Einfluss der AGNs auf die galaktische Sternentstehung ist noch nicht entschlüsselt. Mit der sogenannten CARS- Durchmusterung (Close AGN Reference Survey) sollen daher 39 nahgelegene AGNs detailliert auf ihren Einfluss auf die Sternentstehungsprozesse im Inneren von Galaxien untersucht werden.
Ein wissenschaftliches Team unter der Leitung von Irina Smirnova-Pinchukova vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg hat daher die Stärke der [CII]158 µm-Linie von fünf CARS-Galaxien mit dem Field Imaging Far-Infrared Line Spectrometer (FIFI-LS) an Bord von SOFIA untersucht. Dabei hat sich gezeigt, dass die Galaxie HE 1353-1917 in ihrem Zentrum ein ganz besonderes Schwarzes Loch beherbergt, das seinen Jet direkt in die galaktische Ebene ausstößt, statt senkrecht dazu wie es "normale" Schwarze Löcher tun.
Außerdem weist HE 1353-1917 eine [CII]158 µm-Konzentration auf, die zehnmal größer ist als in anderen Galaxien ähnlicher Größe und Zusammensetzung.
Die Sternentstehungsrate, die mit anderen Indikatoren abgeleitet wurde, kann jedoch nur für 25% der nachgewiesenen Menge an ionisiertem Kohlenstoff verantwortlich sein. Mit anderen Worten: Neugeborene Sterne allein können die gemessene Häufigkeit von ionisiertem Kohlenstoff nicht erklären. Da sich der Großteil des ionisierten Kohlenstoffs in HE 1353-1917 in der Nähe des aktiven Schwarzen Lochs der Galaxie befindet, vermuten Irina Smirnova-Pinchukova und ihr Team, dass die hohe [CII]158 µm-Konzentration eng mit dem hochenergetischen Jet zusammenhängt, der vom Schwarzen Loch im Zentrum der Galaxie erzeugt wird.
Ähnlich wie junge Sterne scheint dieser Jet das Gas um das Zentrum der Galaxie herum aufzuheizen und zu ionisieren, so dass sich die Menge des ionisierten Kohlenstoffs erhöht. Folglich müssen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ihre Vorstellungen überdenken, dass die [CII]158-µm-Emissionslinie ein Schlüsselindikator für die Sternentstehungsrate ist, und wie Schwarze Löcher ihre Wirtsgalaxien beeinflussen. "Die Orientierung des Jets in HE 1353-1917 ist wirklich ungewöhnlich", sagt Irina Smirnova-Pinchukova. "Und er beeinflusst seine Umgebung auf ähnliche Weise, wie es neugeborene Sterne tun. Aber Sterne allein können nicht verursachen, was wir beobachtet haben." Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen wurden im Mai 2019 in der Zeitschrift Astronomy and Astrophysics veröffentlicht.
"Bevor wir diese Linie als zuverlässigen Indikator für die Sternentstehung in fernen Galaxien verwenden können, müssen wir alle Prozesse verstehen, die die gemessene Stärke der [CII]158 µm-Emission in sternbildenden Regionen im Zentrum lokaler Galaxien beeinflussen können", erklärt Co-Autor Christian Fischer vom deutschen SOFIA-Institut der Universität Stuttgart.
Am 29. November 2019 erhielt Irina Smirnova-Pinchukova für ihre Arbeit den Ernst-Patzer-Preis. Der Preis wird jährlich an junge Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) und anderer Heidelberger Institute für astronomische Artikel verliehen, die in einer renommierten, von Fachleuten begutachteten Zeitschrift, veröffentlicht wurden. "Diese Veröffentlichung war nur durch die große Unterstützung meines Doktorvaters Bernd Husemann und durch die große Unterstützung meiner Koautoren möglich", meint Irina Smirnova-Pinchukova.
Weitere Links:
- “The Close AGN Reference Survey (CARS): Discovery of a global [Cii] 158μm line excess in AGN HE 1353−1917”, Smirnova-Pinchukova et al. A&A 626, L3, 06/2019 https://arxiv.org/pdf/1905.10383.pd
- CARS Sample : https://www.cars-survey.org/?q=node/3
- Patzer Award 2019: https://www.mpia.de/5012887/2019_11_29_Patzer_e
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