SOFIA Promotion hoch drei

15. Juni 2016 /

Unterschiedliche Herangehensweise an die Bildstabilisierung des SOFIA Teleskops

Gleich drei Doktorprüfungen haben am 9. Juni 2016 am IRS / DSI stattgefunden: Prashant Kaswekar, Enrico Pfüller, Manuel Wiedemann haben mit exzellenten Vorträgen und Prüfungen ihre Doktorandenzeit erfolgreich abgeschlossen. Das Besondere: Auf ganz unterschiedliche Weise befassten sich alle drei Arbeiten mit der Frage, wie die Bildstabilisierung des SOFIA Teleskops optimiert werden kann. Denn während der Beobachtungen von SOFIA ist das Teleskop verschiedenen Störfaktoren wie etwa den Flugzeugvibrationen, den Windlasten oder Temperaturschwankungen ausgesetzt. Um aber den Ansprüchen der Wissenschaftler zu genügen, muss die Ausrichtegenauigkeit des Teleskops von 0,2 Bogensekunden eingehalten werden. Das ist der Winkel unter dem eine 1-Cent-Münze in einer Entfernung von 16 Kilometern erscheint.

 
Enrico Pfüller hat die schnelle Diagnostik Kamera (FDC - Fast Diagnostic Camera) von SOFIA entwickelt. Diese CCD-Kamera wurde als eigenständiges System für spezielle Charakterisierungsflüge an Stelle des Focal Plane Imagers eingebaut und erlaubte es u.a. die Ausrichtgenauigkeit und Bildqualität der fliegenden Sternwarte optisch zu charakterisieren. Mit 400 Bildern pro Sekunde detektiert die Kamera auch die kleinste Verschiebung eines Teststerns auf dem Kamerasensor, die ein direktes Anzeichen für die störende Teleskopbewegung ist. So konnten die Wirksamkeit und das Zusammenspiel verschiedener Regelungssysteme mit Hilfe der FDC diagnostiziert und optimiert werden.
Seit Anfang 2016 ist die FDC, mittlerweile als Focal Plane Imager+ (FPI+) durch die Arbeit seines Kollegen Wiedemanns voll in das Teleskopsystem integriert, sogar als drittes deutsches wissenschaftliches Instrument offiziell im Einsatz. Sie erlaubt es Astronomen parallel zu den montierten Infrarotinstrumenten Beobachtungen im visuellen durchzuführen und kommt zum Beispiel bei der Untersuchung von Exoplaneten-Transits, Kometen oder Bedeckungen durch sogenannte transneptunische Objekte zum Einsatz. „Dass die FDC mal zum echten wissenschaftlichen Instrument wird, mit dem wir zum Beispiel die Sternbedeckung durch Pluto im Juni 2015 beobachten konnten, hätte ich mir nie träumen lassen“, strahlt Enrico Pfüller.
 

Prashant Kaswekar hat sich in seiner Arbeit mit den Ursachen der Störungen beschäftigt: Bei 800 Stundenkilometer und geöffneter Tür ist das Teleskop auch in 14 Kilometern Höhe erheblichen Windlasten ausgesetzt. Diese versetzen das wie eine Hantel gelagerte Teleskop in verschiedene Schwingungszustände mit betimmten Eigenfrequenzen. Um die verschiedenen Zustände und die dazugehörigen Frequenzen verlässlich messen zu können, werden unterschiedliche Sensoren an ganz bestimmten Stellen der Teleskopstruktur benötigt. Zusammen mit einem kinematischen Modell können die Sensorwerte Auskunft darüber geben, welche Zustände einen besonders hohen Beitrag zur Bildbewegung in der Fokalebene des Teleskops haben. Bevor verlässlich gemessen werden kann, muss aber das Zusammenspiel zwischen den Sensorwerten und dem Modell – vor allem die systematischen Fehler sowie Messungenauigkeiten - mit Hilfe von ausgiebigen Simulationen untersucht und verstanden werden. „Ich simuliere nur“, gesteht Prashant Kaswekar schelmisch. „Aber SOFIA in Aktion in Palmdale – wo das Flugzeug stationiert ist – zu sehen, hat mich maßgeblich für meine Arbeit inspiriert.“

Manuel Wiedmann dagegen hat sich konkret mit den unwirtlichen Bedingungen der Stratosphäre auseinandersetzen müssen. Um die tatsächliche Lage des Teleskops im Raum zu bestimmen, werden unter anderem drei verschiedene Hilfskameras eingesetzt. Der Focal Plane Imager (FPI) ist die eigentliche Nachführkamera des Observatoriums. Sie hat mit 9 x 9 Bogenminuten das kleinste Gesichtsfeld, dafür aber auch die größte Genauigkeit und sieht exakt den gleichen Himmelsausschnitt wie die wissenschaftlichen Infrarotinstrumente. Der Fine Field Imager (FFI) dient mit einem größeren Gesichtsfeld von 70 x 70 Bogenminuten als sekundäre Nachführkamera, falls es im Feld des FPI keinen geeigneten Nachführstern geben sollte. Der „Wide Field Imager“ (WFI) hat ein noch größeres Gesichtsfeld von 6 x 6 Grad und wird vor allem als Sucherkamera eingesetzt und erlaubt die� erste Ausrichtung des SOFIA Teleskops auf den richtigen Himmelsausschnitt anhand bekannter Sternkonstellationen. Um die Empfindlichkeit der ursprünglich vorhandenen Hilfskameras zu verbessern, wollte Manuel Wiedemann eigentlich gemeinsam mit Industriepartnern ein speziell für die SOFIA - Anforderungen zugeschnittenes Kamerasystem entwickeln, musste die Idee aber nach kurzer Zeit verwerfen. Für die Nachführkamera, den FPI, war mit der von Enrico Pfüller entwickelten schnellen Diagnosekamera  bereits eine sehr gute Lösung vorgegeben: Die Empfindlichkeit der FDC ist 100 Mal höher als die des ursprünglichen FPI und auch die Sensorgeometrie genügt den Anforderungen an die Nachführkamera des SOFIA - Observatoriums. Wiedemann musste diese Kamera jetzt „nur“ noch so in die existierenden Systeme der fliegenden Sternwarte einbinden, dass sie auch im Beobachtungsbetrieb als verbesserter FPI+ eingesetzt werden kann. Für FFI und WFI war die Lösung allerdings etwas schwieriger: Sie sind auf dem Frontring des SOFIA-Teleskops angebracht und somit den unwirtlichen Bedingungen der Stratosphäre bei einer Fluggeschwindigkeit von 800 Stundenkilometern ausgesetzt. Manuel Wiedemann gelang es kommerziell verfügbare Kameras so für die extremen Umweltbedingungen umzurüsten und zu qualifizieren, dass sie schließlich die geforderten Anforderungen an die Empfindlichkeit, Zuverlässigkeit und Sicherheit erfüllen. „Der Weg war nicht immer leicht“, räumt Manuel Wiedemann ein, „aber am Ende bin ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden“.

In einem sind sich die drei frischgebackenen Doktoren einig: Gut, dass der Stress vorbei ist.
 
Links:
Kontakt Dörte Mehlert; mehlert@dsi.uni-stuttgart.de
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