Magnetfeldlinien, die von SOFIA Beobachtungen abgeleitet wurden, sind als Stromlinien einem Infrarotbild der Region mit dem Weltraumteleskop „Spitzer“ überlagert.

Magnetische Gasströme füttern einen jungen Sternhaufen

19. August 2020 /

[Bild: Bildrechte: NASA/SOFIA/T. Pillai/J. Kauffmann; NASA/JPL-Caltech/L. Allen ]

SOFIA hat mit der „High-resolution Airborne Wideband Camera Plus“ (HAWC+) Magnetfelder in interstellaren Wolken aus Gas und Staub vermessen. Diese Daten zeigen, dass solche Wolken stark magnetisch sind und Magnetfelder die Sternentstehung innerhalb dieser Wolken beeinflussen. Eine Schlüsselbeobachtung dabei ist, dass die Ausrichtung der inneren Struktur dieser Wolken eng mit der Orientierung der Magnetfelder zusammenhängt.

Um die Rolle der Magnetfelder genauer zu untersuchen, hat ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Thushara Pillai (Universität Boston und Max-Planck-Institut für Radioastronomie/MPIfR Bonn) die Filamentstruktur des dichten Gases in der Umgebung eines jungen Sternhaufens mit dem HAWC+ Polarimetrie-Empfänger an Bord des Flugzeug-Observatoriums SOFIA in Infrarot-Wellenlängen untersucht. Ihre Ergebnisse zeigen, dass nicht alle Filamente mit hoher Dichte in gleicher Weise entstehen. In einigen dieser Filamente passt sich das Magnetfeld dem Materiefluss an und orientiert sich in Übereinstimmung mit dessen Ausrichtung. Die Schwerkraft beginnt in den dichteren Bereichen einiger Filamente zu dominieren und der daraus resultierende schwache magnetische Gasfluss wirkt wie ein Förderband für das Wachstum des zentralen jungen Sternhaufens.
Die Ergebnisse werden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift “Nature Astronomy“ veröffentlicht.

Das interstellare Medium ist zusammengesetzt aus einem recht geringen Anteil von Gas und Staub, der einen gewaltigen Leerraum zwischen den Sternen erfüllt. Dieses ziemlich diffuse Material erstreckt sich über die gesamte Milchstraße und stellt damit ein erhebliches Massereservoir in Galaxien dar. Ein wichtiger Bestandteil des interstellaren Gases sind kalte und dichte Molekülwolken, deren überwiegender Massenanteil aus molekularem Wasserstoff besteht. Ein wichtiges Forschungsergebnis des letzten Jahrzehnts ist, dass jede dieser Molekülwolken von einem ausgedehnten Netzwerk von Filamenten durchdrungen wird. Daraus ist nun die Vorstellung entstanden, dass sich Sterne wie unsere Sonne vorzugsweise in dichten Sternhaufen an den Schnittpunkten solcher Filamente bilden.

Das Forschungsteam untersuchte ein Netzwerk von Filamenten aus dichtem Gas um den Serpens-Süd-Sternhaufen im Sternbild Schlange mit HAWC+, einem Empfänger für polarisierte Infrarotstrahlung an Bord des Flugzeugobservatoriums SOFIA, um den Einfluss von Magnetfeldern bei der Entstehung von neuen Sternen zu verstehen. In einer Entfernung von ca. 1400 Lichtjahren ist der Serpens-Süd-Sternhaufen der jüngste bekannte Sternhaufen in der näheren Sonnenumgebung und befindet sich im Zentrum eines solchen Netzwerks aus dichten Filamenten.

SOFIA 2017 auf dem Vorfeld des Internationalen Flughafens Christchurch, Neuseeland. 
		Bildrechte: NASA/SOFIA/T. Pillai/J. Kauffmann; NASA/JPL-Caltech/L. Allen

Kompositbild des Serpens-Süd-Sternhaufens aus jungen Sternen. Magnetfeldlinien, die von SOFIA Beobachtungen abgeleitet wurden, sind als Stromlinien einem Infrarotbild der Region mit dem Weltraumteleskop „Spitzer“ überlagert. Die SOFIA-Ergebnisse lassen darauf schließen, dass der Einfluss der Gravitation selbst starke Magnetfelder überwindet, um so Material für die Entstehung von neuen Sternen bereitzustellen. Dabei gehen die Magnetfeldlinien in die Ausrichtung der stärksten Ausflüsse über, wie man insbesondere bei der Magnetfeldorientierung entlang des schmalen dunklen Filaments links unten in der Abbildung sehen kann. Das Einströmen von Materie aus dem umgebenden interstellaren Raum in die Wolke liefert das Material für den Kollaps, der die Entstehung neuer Sterne erst ermöglicht. 
Bildrechte: NASA/SOFIA/T. Pillai/J. Kauffmann; NASA/JPL-Caltech/L. Allen

Die Beobachtungen zeigen, dass Gasfilamente geringer Dichte parallel zur Orientierung des Magnetfelds liegen, während die Ausrichtung bei höheren Gasdichten senkrecht dazu liegt. Die hohe Winkelauflösung von HAWC+ zeigt eine weitere vorher nicht bekannte Wendung der Entwicklung. „In einigen der Filamente mit hoher Dichte passt sich das Magnetfeld dem Materiefluss an und zeigt eine Ausrichtung in Übereinstimmung mit den Filamenten“, sagt

Thushara Pillai (Universität Boston und MPIfR Bonn), die Erstautorin der Veröffentlichung. „Damit dominiert die Schwerkraft in den undurchsichtigen Teilen mancher der Filamente im Serpens-Süd-Sternhaufen und der daraus resultierende schwach magnetisierte Gasfluss unterstützt in einer Art Förderband das Wachstum von jungen Sternhaufen“, fügt sie hinzu.

Theoretische Simulationen und Beobachtungen lassen darauf schließen, dass die filamentartige Struktur von Molekülwolken eine größere Rolle dabei spielt, wie Materie aus ausgedehnteren Bereichen des interstellaren Mediums in junge Sternhaufen transportiert wird, deren Wachstum mit diesem Gas gefüttert wird. Die Entstehungs- und Entwicklungsprozesse von Sternen werden von einem komplexen Zusammenspiel mehrerer fundamentaler Kräfte gesteuert, insbesondere Turbulenz, Gravitation und Magnetfeld. Um eine genaue Beschreibung dafür zu erhalten, wie dichte Haufen von jungen Sternen entstehen, müssen die Astronomen den relativen Einfluss von allen drei genannten Kräften bestimmen. Sowohl die turbulenten Gasbewegungen als auch der Massenanteil der Filamente (und damit der Einfluss der Gravitation) lassen sich relativ einfach abschätzen.

"Aber die Stärke des interstellaren Magnetfelds ist sehr gering; es ist rund 10.000mal schwächer als das Magnetfeld der Erde“, sagt Bernhard Schulz, SOFIA Science Mission Operation Deputy Director vom Deutschen SOFIA Institut (DSI) der Universität Stuttgart. "Das macht die Bestimmung der Magnetfeldstärke in diesen Filamenten zu einer gewaltigen Herausforderung, für die SOFIA mit seinem Polarimeter HAWC+ bestens gewappnet ist."

Ein kleiner Anteil der Gesamtmasse eine Molekülwolke besteht aus Staubkörnern geringer Ausdehnung, die mit dem interstellaren Gas vermischt sind. Diese interstellaren Staubkörner richten sich senkrecht zur Richtung eines Magnetfelds aus. Aus diesem Grund ist die Strahlung, die von diesen Staubkörnern ausgeht, polarisiert und man kann daraus die Ausrichtung des Magnetfelds in Molekülwolken bestimmen.

Die Magnetfeldrichtungen in der Polarisationskarte von Serpens Süd, die mit HAWC+ an Bord von SOFIA beobachtet wurden, stimmen gut mit der Richtung des Gasstroms entlang des schmalen südlichen Filaments überein. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die filamentartigen Materieflüsse zur Bildung eines jungen Sternhaufens beitragen können.

Auf der Grundlage von Beobachtungen mit dem Planck-Weltraumteleskop wurde erst vor kurzem eine hochempfindliche Himmelskarte der polarisierten Strahlung von interstellarem Staub bei Wellenlängen unterhalb von 1 mm veröffentlicht. Sie ermöglicht den ersten großskaligen Blick auf die Magnetisierung von filamentartigen Molekülwolken und deren Umgebung. Untersuchungen auf der Grundlage der Planck-Daten haben ergeben, dass die Filamente nicht nur stark magnetisiert sind, sondern dass sie auch auf vorhersagbare Weise mit den Magnetfeldern in Verbindung stehen. Die Ausrichtung der Magnetfelder ist parallel zu den Filamenten in einer Umgebung geringer Dichte. Die Magnetfelder ändern ihre Orientierung in Gebieten höherer Dichte und sind dort senkrecht zu den Filamenten. Das lässt darauf schließen, dass Magnetfelder eine wichtige Rolle bei der Ausbildung dieser Filamente spielen, verglichen mit dem Einfluss von Turbulenz und Gravitation.

Aus dieser Beobachtung ergibt sich jedoch ein Problem. Materie fließt nicht senkrecht zu Magnetfeldlinien. Wie kann sich das Gas dann innerhalb der Filamente weiter zusammenziehen und Sterne bilden? „Da das HAWC+ Instrument an Bord von SOFIA eine um eine Größenordnung höhere Winkelauflösung hat als das Planck-Weltraumteleskops, ist es uns nun möglich, die Regionen der Filamente räumlich aufzulösen, in denen sich das Gleichgewicht zwischen Magnetfeldern und den anderen Kräften verändert“, erklärt Bernhard Schulz.

„Die Tatsache, dass wir in der Lage waren, einen kritischen Übergang in der Sternentstehung aufzuzeigen, kam etwas überraschend. Es zeigt aber wiederum, wie wenig wir noch über kosmische Magnetfelder wissen und wieviel aufregende Wissenschaft aus zukünftigen Beobachtungen mit SOFIAs HAWC+ Empfänger zu erwarten sein dürfte“, schließt Thushara Pillai.

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Die „High-resolution Airborne Wideband Camera Plus“ (HAWC+), SOFIAs neuestes Beobachtungsinstrument, nutzt Strahlung im Ferninfrarotbereich zur Beobachtung von Staubkörnern im Universum, die sich senkrecht zu Magnetfeldlinien ausrichten. Aus den Beobachtungsergebnissen können die Astronomen Rückschlüsse auf Gestalt und Ausrichtung des ansonsten unsichtbaren Magnetfelds ziehen. Die Ferninfrarotstrahlung ermöglicht Schlüsselinformationen über Magnetfelder, da das Signal nicht durch anderweitig erzeugte Strahlung wie z. B. Streuung von sichtbarem Licht oder Strahlung von hochenergetischen Teilchen überlagert wird. Der HAWC+ Empfänger wurde von einem Forschungsteam vieler beteiligter Institute unter Leitung des „Jet Propulsion Laboratory“ in Pasadena, Kalifornien, entwickelt.

SOFIA, das Stratosphären Observatorium Für Infrarot Astronomie, ist ein Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR; Förderkennzeichen 50OK0901, 50OK1301 und 50OK1701) und der National Aeronautics and Space Administration (NASA). Es wird auf Veranlassung des DLR mit Mitteln des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg und der Universität Stuttgart durchgeführt. Der wissenschaftliche Betrieb wird auf deutscher Seite vom Deutschen SOFIA Institut (DSI) der Universität Stuttgart koordiniert, auf amerikanischer Seite von der Universities Space Research Association (USRA). Die Entwicklung der deutschen Instrumente ist finanziert mit Mitteln der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des DLR.

Kontakt:
Dr. Thushara Pillai
Institute for Astrophysical Research
Boston University, Boston, USA.
E-mail: tpillai.astro@gmail.com

Prof. Dr. Karl Menten
Direktor und Leiter der Forschungsabteilung „Millimeter- und Submillimeterastronomie“
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn.
Fon: +49 228 525-297
E-mail: kmenten@mpifr-bonn.mpg.de

Dr. Norbert Junkes
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn.
Fon: +49 228 525-399
E-mail: njunkes@mpifr-bonn.mpg.de

Dr. Dörte Mehlert
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches SOFIA Institut, Universität Stuttgart
Fon: +49 711 685-69632
E-mail: mehlert@dsi.uni-stuttgart.de

Kontakt Dörte Mehlert, mehlert@dsi.uni-stuttgart.de
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