Junge Sterne, sogenannte Protosterne, wachsen, indem Materieklumpen aus ihrer Umgebung auf sie herabfallen. Dieser Prozess läuft allerdings nicht gleichmäßig, sondern in Schüben ab. Während eines solchen Wachstumsschubs leuchten die Protosterne hell auf – sie erleben einen Strahlungsausbruch. Massearme Sterne, die ein ähnliches Gewicht wie unsere Sonne haben, konnten Forschende bereits mehrere hundert Male während ihrer Wachstumsphasen beobachten. Massereiche Sterne (schwerer als 8 Sonnenmassen) sind viel seltener und existieren nur für einen vergleichsweise kurzen Zeitraum. Deshalb konnten Astronomen und Astronominnen erst 2016 den erste Strahlungsausbruch eines massereichen Sterns beobachten (siehe DSI News vom 14. November 2016). Insgesamt sind bis heute nur eine Hand voll Ausbrüche solcher Schwergewichte bekannt. Ein Team um Verena Wolf von der Thüringer Landessternwarte (TLS) konnte nun den sechsten, bislang stärksten Wachstumsschub eines solchen massereichen jungen Sterns nachweisen. Ferninfrarotdaten von SOFIA, dem Stratosphären Observatorium für Infrarot Astronomie, haben dabei eine genauere Abschätzung der gesamten Energie ermöglicht, die der damit verbundene Strahlungsausbruch freigesetzt hat. Die Ergebnisse zu dieser Untersuchung sind am 30. Juli in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen.
SOFIA wurde von den deutschen und amerikanischen Weltraumbehörden (DLR und NASA) betrieben und das Deutsche SOFIA Institut (DSI) der Universität Stuttgart koordiniert auf deutscher Seite die Aktivitäten von SOFIA.
Infrarot-Aufnahmen bestätigen den Wachstumsschub
Im Jahr 2019 deuteten Radiodaten auf eine ansteigende Mikrowellenstrahlung in der Sternentstehungsregion G323.46-0.08 (kurz G323) an, die sich am Südhimmel im Sternbild Circinus (Zirkel) befindet. Zusammen mit ihrem Kollegen Bringfried Stecklum, ebenfalls von der TLS, machte sich Verena Wolf auf die Suche nach der Ursache für diese erhöhte Mikrowellenstrahlung. War ein Wachstumsschub tatsächlich der Grund? Sternentstehung läuft sehr versteckt im Inneren kalter staubiger Molekülwolken ab, welche sichtbares Licht absorbieren und erst bei längeren Wellenlängen transparent werden. Im Archiv des VISTA-Teleskops (Visible and Infrared Survey Telescope for Astronomy) der Europäischen Südsternwarte (ESO) wurden die Forschenden fündig. Zahlreiche Nahinfrarotaufnahmen der Sternentstehungsregion G323 zu verschiedenen Zeitpunkten ermöglichten es, eine Lichtkurve zu erstellen. „Mit den VISTA-Bildern konnten wir den Akkretionsausbruch zweifelsfrei bestätigen“, sagt Bringfried Stecklum. „Er dauerte rund acht Jahre – von 2012 bis 2020.“
SOFIA–Daten bestätigen Modell
Zusätzlich analysierten die Forschenden mit Hilfe von zeitabhängigen Modellen erstmals, wie sich die Wärmestrahlung des Staubs in der Umgebung des jungen Sterns während seines Wachstumsschubs ändert. Die Simulation sagte vorher, dass das Nachglühen des Ausbruchs im fernen infraroten Wellenlängenbereich noch im Jahr 2022 messbar sein sollten, obwohl der Ausbruch bereits 2020 endete. Ferninfrarotbeobachtungen von G323 mit dem HAWC+-Instrument an Bord von SOFIA bei Wellenlängen von 53, 62, 89, 154 und 214 μm zeigten tatsächlich eine leichte Erhöhung der Helligkeit und bestätigten diese Vorhersage.
Siebenfache Jupitermasse
Mit Hilfe der Computersimulation gelang es dem Team um Wolf den Verlauf des Strahlungsausbruchs zu modellieren und zum ersten Mal das Wechselspiel zwischen der Staubverteilung um den jungen Stern und der Stärke des Ausbruchs genau zu untersuchen:
Wie stark verändert sich die Leuchtkraft während des Ausbruchs? Wie lange genau dauert der Ausbruch? Wie viel Energie wird freigesetzt? Wie viel Masse ist auf den Protostern gefallen? Die Kombination aus den VISTA- und SOFIA-Daten mit den Modellen brachte den Durchbruch: „So konnten wir zuverlässig die Energie ermitteln, die G323 während des Wachstumsschubs freigesetzt hat und daraus die eingefallene Masse abschätzen“, erläutert Wolf. „Vermutlich ist ein riesiger Klumpen mit etwa der siebenfachen Jupitermasse auf den Stern gefallen. In den acht Jahren des Strahlungsausbruchs hat der Stern so viel Energie freigesetzt, wie die Sonne in 740.000 Jahren abstrahlt.“
Originalveröffentlichung:
- The accretion burst of the massive young stellar object G323.46−0.08, A&A 30. Juli, 2024
Weitere Links zur News:
- Forschende der Thuinger Landessternwarte weisen den energiereichsten Wachstumsschub eines jungen Sterns nach, Pressemitteilung der Thüringer Landessternwarte Tautenburg (TLS), 30. Juli 2024
Kontakt:
Thüringer Landessternwarte (TLS):
Dr. Verena Wolf |
Dr. Bringfried Stecklum |
Deutsches SOFIA Institut (DSI):
Dörte Mehlert (mehlert@dsi.uni-stuttgart.de)
Weitere SOFIA Links:
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SOFIA, das Stratosphären Observatorium Für Infrarot Astronomie, ist ein Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR; Förderkennzeichen 50OK0901, 50OK1301, 50OK1701 und 50OK2002) und der National Aeronautics and Space Administration (NASA). Es wird auf Veranlassung des DLR mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg und der Universität Stuttgart durchgeführt. Die SOFIA-Aktivitäten werden auf deutscher Seite von der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR koordiniert und vom Deutschen SOFIA Institut (DSI) der Universität Stuttgart durchgeführt, auf amerikanischer Seite von der NASA und der Universities Space Research Association (USRA). Die Entwicklung der deutschen Instrumente wurde finanziert mit Mitteln der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des DLR.
Die Thüringer Landessternwarte Tautenburg (TLS) ist eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung des Freistaats Thüringen. Sie betreibt Grundlagenforschung in Astrophysik. Die Forscherinnen und Forscher der TLS nutzen verschiedene Teleskope in der ganzen Welt für ihre Beobachtungen von Galaxien, Sternen, der Sonne, Gammastrahlenausbrüchen und extrasolaren Planeten.
Die Thüringer Landessternwarte betreibt und nutzt das 2-Meter-Alfred-Jensch-Teleskop für Beobachtungen im optischen Spektralbereich und eine Station des European Low Frequency Array (LOFAR) Radioteleskops. Außerdem baut sie ein Sonnenlabor auf, um einen Prototyp eines automatisierten Teleskops für die kontinuierliche Beobachtung der Sonne zu entwickeln.