Erfolgreiche Jagd nach Tritons Schatten

25. Oktober 2017 /

SOFIA und andere Observatorien untersuchen die Atmosphäre des größten Neptunmondes

In der Nacht vom 5. auf den 6. Oktober kam es zu einem äußerst seltenen Himmelsereignis: Triton, der mit über 2700 Kilometern Durchmesser größte Mond des Planeten Neptun, ist auf seiner Bahn vor einem hellen Stern vorbeigezogen und hat diesen - analog zu einer Sonnenfinsternis - verdeckt (UCAC4 410-143659, V=12,7 mag). Je nach Beobachtungsort dauerte diese Sternbedeckung höchstens drei Minuten. Für einen kurzen Moment konnte dabei das Licht des Sterns die Atmosphäre des Neptunmondes von hinten durchleuchten. So hatten Astronomen die Möglichkeit, die dünne Tritonatmosphäre detailliert zu untersuchen – vorausgesetzt, ihre Teleskope waren im Schatten positioniert, den der Neptunmond während dieser Bedeckung auf die Erde geworfen hat.

SOFIA, die fliegende Infrarotsternwarte, ist dazu direkt ins Zentrum des Schattens geflogen, um dort den sogenannten „Central Flash“ zu beobachten. Dieses kurzzeitige Aufleuchten kann lediglich in einer schmalen Zone um den geometrischen Mittelpunkt des Schattens beobachtet werden, wenn das Licht des vollständig bedeckten Sterns durch die Atmosphäre des Mondes durch Beugung zum Beobachter hin gelenkt wird. Die Beschaffenheit der Atmosphäre bestimmt dabei maßgeblich die Intensität und den zeitlichen Verlauf des Central Flashs.

 

Mit Hilfe von drei leistungsstarken Instrumenten an Bord von SOFIA konnte ein Team um Ted Dunham (PI) vom Lowell Observatory und Michael Person vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) so vor allem die unteren Schichten der Tritonatmosphäre detailliert studieren, die maßgeblich für diesen „ Central Flash“ verantwortlich sind. Eines der an Bord von SOFIA benutzten Instrumente, der Focal Plane Imager (FPI+), wurde unter Federführung von Jürgen Wolf am Deutschen SOFIA Institut (DSI) der Universität Stuttgart entwickelt. „Wir konnten den Central Flash mit allen Instrumenten an Board beobachten“, bestätigt Mike Person. „Die vorläufigen Analyse der Lichtkurven lassen interessante Eigenschaften erkennen – bald werden wir die ersten Ergebnisse präsentieren können“, verspricht der Astronom. Aufnahmen in verschiedenen Farben des optischen und infraroten Lichts erlauben es den Wissenschaftlern die Beschaffenheit, Temperatur, Dichte und den Druck in Tritons Gashülle abzuleiten.

"SOFIA ist die einzige Sternwarte, die sich direkt im Zentrum einer Bedeckung positionieren kann – egal, wo der Schatten hinfällt“, erklärt Enrico Pfüller vom DSI, der mit seinem Kollegen Manuel Wiedemann den FPI+ während der Triton Beobachtung betrieben hat. "Wir waren auf die Sekunde an der richtigen Stelle und haben die Bedeckung mit dem FPI+ sowie zwei weiteren Instrumenten erfolgreich beobachtet."
Da der Schattenpfad der Tritonbedeckung zu weit von SOFIAs Heimatbasis am NASA Armstrong Flight Research Center in Palmdale, Kalifornien entfernt war, ist die fliegende Sternwarte für diese Beobachtung von einer temporären Basis in Daytona Beach, Florida, gestartet. So konnte SOFIA das Zentrum des Schattens ohne Zwischenstopp erreichen und nach neun Stunden Flugzeit wieder in Florida landen.

Boden- und Luftbeobachtungen ergänzen sich optimal

Während Neptun rund 17-mal schwerer als die Erde ist, ist der mittlere Abstand zu Triton geringer als der unseres Mondes zur Erde. Triton wird damit viel stärkeren Gezeitenkräften ausgesetzt als unser Erdtrabant. Aus früheren Messungen ist bekannt, dass dadurch die Atmosphäre von Triton deformiert ist. Um die globale Ausdehnung, Form und Struktur der Triton-Atmosphäre genau vermessen zu können, hat das SOFIA-Team von zahlreichen Forschen Unterstützung bekommen, die das Ereignis parallel zu SOFIA an mehr als 75 bodengebundenen Teleskopen in ganz Europa und an der Ostküste der USA beobachtet haben.
Bereits im Oktober 2016 hat Karsten Schindler vom DSI der Universität Stuttgart begonnen, die Beobachtungskampagne in Europa zu organisieren. Er selbst hat die Bedeckung am 2,2 m Teleskop des Calar Alto Observatoriums in Südspanien beobachtet. „Wir befanden uns zwar südlich der vorhergesagten Zentrallinie des Schattens, konnten zu unserer großen Überraschung aber dennoch einen deutlichen „Central Flash“ beobachten“, so Karsten Schindler. „Das AstraLux Instrument, das wir benutzt haben, hat perfekt funktioniert und eine Messung mit sehr hoher zeitliche Auflösung ermöglicht, die uns wertvolle zusätzliche Informationen über die Beschaffenheit der Atmosphäre liefert.“

Die Zwischenbilanz der Triton Bodenkampagne ist vielversprechend. Insgesamt haben 36 Stationen eine erfolgreiche Beobachtung gemeldet: 7 Stationen in den USA, 28 Stationen in Europa, sowie 1 Station in Afrika. Darunter befinden sich u.a. auch Großteleskope auf den kanarischen Inseln, in Deutschland, Italien und der Türkei. So konnte die Triton Atmosphäre in verschiedenen Breiten des Mondes vermessen werden.

Plutos Bruder oder Transneptunisches Objekt?

Der Neptunmond Triton ist von ähnlicher Größe und Masse wie der Zwergplanet Pluto. Daher stellen sich Planetenforscher die Frage, ob Triton und Pluto Zwergplanetengeschwister sind. Oder war Triton ursprünglich ein sogenanntes „Transneptunisches Objekt“ (TNO), das vom äußersten Planeten unseres Sonnensystems eingefangen wurde? Die bisher einzige Nahaufnahme des Neptunmondes stammt von der NASA- Raumsonde Voyager 2, die im August 1989 an Neptun und Triton vorbeigeflogen ist. Diese Daten haben gezeigt, dass Tritons Atmosphäre vorwiegend aus Stickstoff besteht und Anzeichen für Gezeiten und Winde aufweist. Nach dem Vorbeiflug von Voyager 2 konnte Tritons Atmosphäre durch Sternbedeckungen zwischen 1993 und 2001 auch von der Erde vermessen werden - u.a. von SOFIA's Vorgänger, dem Kuiper Airborne Observatory (KAO).  Dabei wurde festgestellt, dass die Atmosphäre kontinuierlich expandiert. "Die bodengestützte Kampagne liefert Informationen über die höheren Atmosphärenschichten von Triton und ergänzt somit die neuen multispektralen Daten von SOFIA ideal. Zusammen können die Beobachtungen einen genaueren Aufschluss über die verschiedenen Schichten der Atmosphäre geben und werden zeigen, wie stark sich diese seit den 90er Jahren verändert hat", fasst Jürgen Wolf, DSI Standortleiter am SOFIA Science Center am Ames Research Center der NASA im kalifornischen Silicon Valley, zusammen.

Weitere Links zur Triton Bedeckung

Weitere SOFIA Links

Kontakt Dörte Mehlert, Email: mehlert@dsi.uni.stuttgart.de; Tel.:0711 - 685-69632
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